…Eltern sein dagegen sehr. Diesen Spruch haben Sie sicherlich auch schon mal gehört. Ich denke, dass Eltern sein eine herausfordernde Aufgabe sein kann. Besonders dann, wenn Eltern sich nicht darauf vorbereiten, wenn sie einen Erziehungsstil wählen, oder ungefragt übernehmen, der die liebevolle Verbindung zu den eigenen Kindern erschwert. Eltern denken vielleicht, Erziehung bedeutet mit mächtigen oder gewaltigen Mitteln ihren eigenen Willen durchzusetzen, oder Erziehung gleicht einer Dressur nach dem Motto: Zuckerbrot und Peitsche. In führenden Elternzeitschriften wurde tatsächlich Kindererziehung mit Hundedressur verglichen.

In Gesprächen mit Eltern höre ich deren Wünsche, was die Zukunft ihres Kindes betrifft. Sie möchten sie zu einem selbständigen, rücksichtsvollen freundlichen, kreativen, und liebevollen Menschen erziehen.

Schade aber daran ist, obwohl die Kinder einen Großteil dieser Fähigkeiten schon mitbringen, Eltern viele Methoden in der Erziehung wählen, die genau das nicht vermitteln.

Sie vertrauen zu wenig der Liebe zu ihren Kindern, sie wandeln diese oft in eine bedingte Liebe um. Die Kinder lernen, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen geliebt werden, nämlich z. B. dann, wenn sie brav und ruhig sind. Eltern vermitteln, wenn Du brav und artig bist, dann haben Mama und Papa dich lieb. Wenn Du etwas machst, was uns nicht gefällt, dann wirst du dafür bestraft, du hast es ja nicht anders gewollt. Auf Erziehungs-Neudeutsch heißt das dann: Dein Verhalten hat Konsequenzen! Wer nicht hören will, muss fühlen. Wir setzen die Liebe als Druckmittel ein. Das darf niemals sein. Für Kinder ist das eine hochgradig emotionale Bedrohung, kennen sie doch niemanden sonst, der ihnen das Bedürfnis nach Liebe erfüllen kann.

Eine bedingte Erziehung macht aus unserem Kind ein dressiertes Hündchen. Es handelt und agiert nicht aus eigenem Willen und Antrieb, sondern es reagiert auf Belohnung und Bestrafung, in der Hoffnung nun endlich geliebt und gefüttert zu werden, das zu bekommen, was es braucht um emotional überleben zu können. Doch diese Liebe steht nicht in ihrer Macht, sie kann jederzeit wieder als Erziehungsmittel missbraucht werden. Glauben Sie, dass sich die Kinder unsere Liebe erst verdienen müssen? Ich glaube das nicht! Lieben wir unsere Kinder für das was sie tun, oder für das wer sie sind?

Erst wenn Kinder die Verlässlichkeit haben unbedingt geliebt zu werden, haben sie die Möglichkeit und den geschützten Rahmen sich auszuprobieren, sich zu spüren, sich zu erleben und sich zu lieben. Dann müssen sie auch nicht mehr aus Angst lügen.

Diese Bedingungslosigkeit sehe ich als das tragende Fundament für Erziehung an. Dann spüren die Kinder, dass sie der Boden trägt, auf dem sie gehen. Vergangene Woche fragte ich auf einer Bergtour meinen Begleiter, was denn seiner Meinung nach einen guten Bergführer ausmache. Er meinte, dieser müsse sich gut im Gelände auskennen, körperlich und emotional fit sein. Er müsse Sicherheit vermitteln, in schwierigen Situationen voraus gehen, aus Sicherheitsgründen die Seillänge kürzen, seinen Begleiter motivieren, seine Grenzen, Schwächen und Stärken erkennen. Der Gedanke gefällt mir: Erziehung gleicht in vielen Situationen einer Bergtour. Falls Sie sich beim Lesen ab und zu ertappt fühlten, machen Sie sich keine Vorwürfe. Viele Erziehungsberater und –bücher ermutigen uns oben genannte Mittel einzusetzen. Sie propagieren Konsequenzen wie Auszeiten, Stubenarrest, Bestrafung um Kinder zu erziehen. Das hat lange Tradition. Aber werden Kinder somit zu selbständigen, rücksichtsvollen freundlichen, kreativen, und liebevollen Menschen? Oder werden sie dadurch eher zu Menschen, die gut funktionieren und gehorchen?