Dieser Satz von M.B. Rosenberg hat es in sich. Er lädt uns ein, radikal ehrlich mit uns selbst zu sein. Denn wenn wir ihn ernst nehmen, dann heißt das: Niemand kann mir wirklich „weh tun“. Ja, andere können Dinge sagen oder tun, die mich berühren, verletzen, vielleicht sogar erschüttern. Aber die Ursache meines Schmerzes liegt in meinen unerfüllten Bedürfnissen – nicht im Verhalten des anderen. Diese Erkenntnis ist unbequem. Denn sie nimmt mir die „Berechtigung“, wütend zu sein auf den anderen, ihm Vorwürfe zu machen, ihn zu bestrafen – sei es durch Rückzug, Anschuldigungen oder echte Gewalt.

Und trotzdem: Genau hier liegt der Schlüssel. Wenn ich mich frage: Was hat mich so tief getroffen? Was ist mir da so wichtig gewesen? – dann bin ich wieder bei mir. Ich übernehme Verantwortung für mein Gefühl. Und das ist keine Schwäche, sondern ein riesiger Schritt in Richtung innerer Freiheit und echter Verbindung.

In Konflikten erlebe ich oft: Wenn Menschen glauben, der andere „muss büßen“, dann haben sie ihre eigene Not noch gar nicht gesehen. Statt zu sagen: „Ich bin wütend, weil mir Respekt so wichtig ist“, sagen sie: „Du bist respektlos und das muss Konsequenzen haben.“ Diese Haltung trennt. Sie lässt kein echtes Gespräch zu, keine Begegnung, keine Lösung.

GFK lädt uns ein, diesen Mechanismus zu entlarven. Und damit die Möglichkeit zu schaffen, wieder ins Mitgefühl zu kommen – für uns selbst und für den anderen. Gewalt – auch sprachliche – ist dann nicht mehr nötig. Weil wir verstanden haben: Es geht nicht um Schuld. Es geht um Verbindung. Um Bedürfnisse. Um Menschlichkeit.


Beispiel aus einer Erwachsenenmediation:
Zwei Kolleginnen, Martina und Sabine, sitzen sich gegenüber. Der Konflikt hat sich über Monate aufgebaut. Sabine ist wütend: „Martina untergräbt mich ständig vor dem Chef. Sie grätscht in meine Projekte rein, als wäre ich unfähig. Ich will, dass sie endlich mal die Konsequenzen spürt!“

Der Ton ist scharf, die Stimmung aufgeladen. An dieser Stelle bringt die Mediatorin das Gespräch auf die Ebene der Gefühle und Bedürfnisse:
„Sabine, darf ich mal hören – bist du vielleicht gerade sehr verletzt, weil dir Anerkennung und Selbstwirksamkeit am Herzen liegen?“
Sabine schaut überrascht – und nickt nach einer Pause. „Ja … ich geb mir Mühe, alles gut zu machen. Und dann fühlt es sich an, als wär ich Luft.“

Dann wendet sich die Mediatorin an Martina, ohne zu bewerten:
„Martina, wenn du das hörst – was macht das mit dir?“
Martina wirkt betroffen. „Ich wollte nie, dass sie sich so fühlt. Ich hab wirklich gedacht, ich helfe, wenn ich ergänze. Ich dachte, das wäre kollegial.“

Hier beginnt der Wandel. Statt in der Schuldfrage zu verharren („Wer hat was falsch gemacht?“), wird sichtbar:
Beide Frauen haben Bedürfnisse, die sich gerade gegenseitig in die Quere gekommen sind – Sabines Bedürfnis nach Anerkennung, Martinas Bedürfnis nach Wirksamkeit und Beitrag. Die „Strafe“, nach der Sabine eingangs klang, war Ausdruck ihres eigenen Schmerzes.

Dieses Beispiel zeigt, was Rosenberg meinte: Wenn ich glaube, der andere ist schuld an meinem Schmerz, will ich ihn bestrafen. Aber wenn ich begreife, dass der Schmerz ein Signal meiner eigenen Bedürfnisse ist – dann wird Gewalt überflüssig. Dann wird Verbindung möglich.