🧠 Übung: Was steckt dahinter? – Bedürfnis oder Erziehungsstrategie?

Ziel:

Menschen in beratenden, lehrenden oder begleitenden Rollen dabei unterstützen, Erziehungsaussagen differenziert zu betrachten – und darin echte Bedürfnisse (der Eltern/Bezugspersonen oder des Kindes) von spezifischen Strategien zu unterscheiden.


Ablauf:

1. Einstieg – Aktivierende Einstiegsfrage (5 Minuten)

„Wenn du in deiner Kindheit gehört hast: ‚Ein Kind muss gehorchen‘ – was glaubst du, war das dahinterliegende Bedürfnis der Eltern?“

Kurze Einzelreflexion – dann Austausch in Kleingruppen.


2. Hauptteil – Dialogübung in 2er-Gruppen (25–40 Minuten)

Rollenverteilung:
  • Person A übernimmt die Rolle eines Elternteils (real oder gespielt) mit einer festen Überzeugung.

  • Person B übernimmt die Rolle eines empathischen Gegenübers mit der Haltung empathischen Interesses, das das Bedürfnis hinter der Aussage herausarbeiten möchte.


Beispielsatz (Startimpuls):

„Ich will, dass mein Kind um 20 Uhr im Bett liegt. Punkt.“


Aufgabe von Person B:
  • In empathischem Kontakt bleiben.

  • Nicht argumentieren oder überzeugen.

  • Stattdessen mit echtem Interesse erforschen, welches Bedürfnis hinter der Aussage steht.


Gesprächsleitfaden für B:
  1. Beobachtung klären:

    „Hast du beobachtet, dass dein Kind später ins Bett geht? Was passiert dann?“

  2. Gefühl erkunden:

    „Wie fühlst du dich, wenn dein Kind abends später ins Bett geht?“

  3. Bedürfnis herausarbeiten:

    „Geht es dir um Entlastung? Oder eher um Struktur und Verlässlichkeit im Familienalltag?“

  4. Strategie benennen und Alternativen öffnen:

    „Wenn du diesen Rahmen brauchst – gibt es noch andere Wege, wie du zu Ruhe oder Struktur kommen könntest, auch wenn dein Kind mal nicht um 20 Uhr schläft?“


3. Reflexion (10–15 Minuten)

Gemeinsame Auswertung:

  • War der Übergang von Strategie zum Bedürfnis klar?

  • Gab es Widerstände?

  • Wie wurde das Bedürfnis gespürt, benannt, anerkannt?

  • Welche neuen Strategien wurden sichtbar?


🧩 Vertiefung – weitere Impulsbeispiele zur Auswahl:

  • „Kinder brauchen klare Regeln – sonst tanzen sie dir auf der Nase herum.“

  • „Ich will, dass mein Sohn Danke sagt, wenn er etwas bekommt.“

  • „Wenn ich Nein sage, dann meine ich Nein.“

Je nach Gruppenniveau können diese Aussagen zur freien Auswahl oder in einem „Strategie oder Bedürfnis?“-Quiz aufbereitet werden.


💡 Hinweis für den/die Anleitende(n):

Bei Erziehungsthemen schwingen oft eigene biografische Trigger mit. Es lohnt sich, diesen Raum besonders achtsam und absichtslos zu halten. Empathisches Interesse bedeutet hier: nicht missionieren, sondern verstehen.